Das Arbeitszeugnis als Streitfall

Rechtsratgeber

Das Arbeitszeugnis als Streitfall

5. April 2024 agvs-upsa.ch – Ob während der Dauer des Arbeitsverhältnisses oder nach dessen Beendigung – das Arbeitszeugnis ­fungiert als omnipräsenter Begleiter im Berufsleben. Jannis Föry und Tahir Pardhan

Als Allererstes ist festzuhalten, dass ein Arbeitszeugnis nicht auf einer Kulanzbasis fusst. Vielmehr haben Arbeitnehmende gemäss Art. 330a Abs. 1 OR einen normierten und persönlichen Anspruch darauf, jederzeit ein solches Zeugnis verlangen zu dürfen. Dieser ­Anspruch ist zwingend und muss grundsätzlich durch Arbeitgebende innert angemessener Frist gewährt werden – ein Trödeln bei der Erstellung kann schnell mal zu einer Haftung führen.


Während des Arbeitsverhältnisses wird von einem Zwischenzeugnis gesprochen, wohingegen nach der Beendigung ein Schlusszeugnis vorliegt. Eine weitere Unterscheidung wird betreffend Umfang des Zeugnisses vorgenommen. Ein Vollzeugnis bezieht sich auf die Art, Dauer sowie die Leistung und das Verhalten. Ein einfaches Zeugnis stellt eine blosse Arbeitsbestätigung dar. Der ­Anspruch auf Ausstellung beider Arten von Zeugnissen verjährt gemäss Art. 127 OR nach zehn Jahren.




Jannis Föry, juristischer Mitarbeiter Rechtsdienst.


 



Ein besonderes Augenmerk gilt es auf den Inhalt des Arbeitszeugnisses zu richten. Des Öfteren bestehen bestimmte Diskrepanzen zwischen den Ansichten von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden in Bezug auf die Ausführungen im Zeugnis – besonders in Fällen eines strittigen Auseinandergehens. Hierbei sollten bestimmte Grundsätze beachtet werden. Das Zeugnis muss grundsätzlich wohlwollend verfasst sein, andererseits aber auch wahr, vollständig und klar. Für Vollzeugnisse sollte eine wohlwollende Formulierung ­gewählt werden, um das berufliche Fortkommen der Arbeitnehmenden nicht zu erschweren. Andererseits muss zukünftigen ­Arbeitgebenden ein möglichst wahres und klares Bild vermittelt werden. Das Vollzeugnis darf daher auch negative Tatsachen oder ­andere Gründe, welche Einfluss auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatten, enthalten, jedoch nur unter der Bedingung, dass diese Tatsachen einen prägenden Einfluss auf das gesamte Arbeitsverhältnis ­hatten oder noch immer haben. So darf gemäss Bundesgericht eine krankheitsbedingte Abwesenheit nur dann erwähnt werden, wenn sie einen erheblichen Einfluss auf Leistung, Verhalten oder ­Eignung hatte und damit einen sachlichen Grund für eine nachfolgende Auflösung des Arbeitsverhältnisses bildete. Einmalige Vorfälle, die keine wesentliche Rolle spielen, dürfen nicht erwähnt werden.

Arbeitnehmenden steht es bei Unzufriedenheit über das Zeugnis offen, gerichtlich auf Berichtigung des Zeugnisses zu klagen, falls keine Einigung mit dem Arbeitgeber erzielt werden kann. Dabei muss ein Vorschlag eines berichtigten Zeugnisses eingereicht werden. Für positive Punkte, die im Zeugnis fehlen, aber nach Auffassung des Arbeitnehmenden unbedingt erwähnt werden sollen, muss dieser den Beweis für die aufzunehmenden Aussagen erbringen. Umgekehrt muss der Arbeitgeber die im Zeugnis beschriebenen Tatsachen belegen können, sofern es sich dabei um negative Beschreibungen handelt.





Tahir Pardhan, Leiter Rechtsdienst & Politik.






Nicht nur seitens der Arbeitnehmenden kann eine Klage drohen. Falls ein ausgestelltes Zeugnis einen falschen objektiven Eindruck über den Arbeitnehmenden gegenüber seinem neuen Arbeitgeber erweckt, besteht die Gefahr, dass der dadurch entstandene Schaden eines künftigen Arbeitgebers eventuell gestützt auf Art. 41 OR ersetzt werden muss.

Die Erstellung eines Arbeitszeugnisses kann je nach Arbeitsverhältnis eine knifflige Gratwanderung darstellen. Um möglichst auf der sicheren Seite zu stehen, sollte dem Element des Wohlwollens Rechnung getragen werden, hierbei jedoch nicht gegen den Grundsatz der Wahrheit verstossen werden. In kritischen Fällen kann auf diese Weise ein langwieriges und eventuell kostspieliges Verfahren verhindert werden.

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