Wohlstand kann man nicht mit Lastenvelos erhalten

Gespräch mit Peter Grünenfelder

Wohlstand kann man nicht mit Lastenvelos erhalten

28. August 2023 agvs-upsa.ch – Im Mai wurde Peter Grünenfelder an der GV der Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure zum Nachfolger von Albert Rösti gewählt, der das Amt nach seiner Wahl in den Bundesrat niederlegen musste. Die AGVS-Medien trafen den promovierten Betriebswirtschafter und wollten wissen, welche Herausforderungen er als Auto-Schweiz-Präsident zu meistern hat.
 
auto-schweiz-artikel_1.jpgPeter Grünenfelder. Foto: AGVS-Medien

jas. Herr Grünenfelder, wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Garagisten?
Peter Grünenfelder, Präsident Auto-Schweiz: Sehr! Ich bin aktuell bei einem Familienbetrieb in Oberburg BE. Beim letzten Mal wurde ich strahlend und im breitesten Berndeutsch begrüsst ‹Du bist doch der Nachfolger vom Albert›. Der Pneuwechsel mit Aufenthalt und Gespräch hat am Schluss fast zwei Stunden gedauert, da erfahre ich durchaus, wo ihn der Schuh drückt.
 
Importeure und Garagisten zogen nicht immer am gleichen Strick…
Mir ist dies durchaus bewusst. Wir dürfen einfach nie das gemeinsame Oberziel aus den Augen verlieren: ‹Die individuelle Mobilität erhalten und weiterentwickeln›. Ich wollte das Präsidium von Auto-Schweiz auch antreten, um klarer aufzeigen, welch enorm wichtiger Wirtschaftsfaktor die Mobilität für die Schweiz darstellt. Wir müssen am gleichen Strick ziehen – unbedingt! Wir haben genügend Opposition in den Städten und von Mitte-Links.
 
Was muss sich ändern?
Der allgemeine Status-Quo-Fetischismus, das Verhindern von Neuem, verhindert die Weiterentwicklung unseres Landes. Daher müssen alle Strassen-, Mobilitäts- und Auto-Verbände gemeinsam an einem Strick ziehen und die Bedeutung der Mobilität als Wirtschaftsfaktor wieder verstärkt in den öffentlichen Fokus bringen. Ich verspüre zudem hohe Bewunderung für die Arbeit der Garagisten punkto Ausbildung. Die Garagenbranche ist Vorreiter bei der Ausbildung von Lehrlingen. Es sind grosse berufliche Werte, die hier geschaffen werden – auch das muss der Öffentlichkeit bewusster gemacht werden, genauso wie die technologische Vorreiterrolle der Autobranche.
 
auto-schweiz-artikel_2.jpgDer neue Auto-Schweiz-Präsident Peter Grünenfelder mit der ebenfalls neu in den Auto-Schweiz-Vorstand gewählten Claudia Meyer, Managing Director Renault Suisse SA. Foto: Auto-Schweiz

Wird das Thema Agenturverträge aktuell in Ihrem Verband ebenfalls heiss diskutiert?
Es wird in unserem Verband sicherlich nicht so heiss diskutiert wie unter Garagisten. Wichtig ist, egal, ob oder welches Agenturmodell am Schluss kommt, dass weiterhin ein gesunder Wettbewerb herrscht und die Kundenorientierung bestens funktioniert – dies ist auch im Interesse jedes Automobilherstellers.
 
Wie gut funktioniert die neue Auto-Achse mit FDP-Parteikollegen und Astag-Präsident Thierry Burkart sowie AGVS-Präsident Thomas Hurter bereits?
Wir arbeiten sehr gut zusammen. Thierry Burkart kenne ich gut von meiner Tätigkeit als Aargauer Staatsschreiber, als er gleichzeitig kantonaler Parteipräsident und Parlamentsmitglied war. Und Thomas Hurter kenne ich ebenfalls schon lange – auf der menschlichen Ebene kommen wir gut aus, dies ist stets ein Vorteil. Für uns geht es gemeinsam darum, die ökonomische Potenz der Branche wieder in den Fokus zu rücken. Eine funktionierende Mobilität ist schlicht wirtschaftliche Grundvoraussetzung für die Schweiz.

Vom Direktor eines Think-Tanks zum Chef eines Lobbyverbands, was sind die grössten Herausforderungen beim Wechsel?
Ein Think Tank braucht eine regelmässige Personalrotation, damit neue Ideen entstehen, das ist meine feste Überzeugung. Daher habe ich schon beim Amtsantritt vor acht Jahren gesagt, dass ich danach in die Realwirtschaft wechseln will. Und mir meinen Bubentraum verwirkliche und ein Verbandspräsidium antrete. Das hat bei Auto-Schweiz jetzt viel schneller geklappt, als ich gedacht habe. Ich habe bislang Strategiearbeit für marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen gemacht und sehe nun konkret an einem starken Verband, wo die Probleme liegen, wenn diese Rahmenbedingungen nicht stimmen und die Geschäftstätigkeit politisch erschwert wird. Man muss Autos verkaufen, um seine Mitarbeitenden Ende Monat den Lohn bezahlen zu können. Und in der Realwirtschaft wird das Geld nicht so locker ausgegeben wie beim Staat, daher freue ich mich jetzt ausserordentlich auf meine Arbeit an der Spitze von Auto-Schweiz.

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Vom Think-Tank Avenir Suisse wechselte Grünenfelder im August an die Spitze der Vereinigung der offiziellen Automobil-Importeure. Foto: Avenir Suisse

Sie geniessen den Ruf eines fortschrittlichen Modernisierers, was wollen Sie bei Auto-Schweiz ändern?
Auto-Schweiz hat in Bundesbern und in der Verbandslandschaft schon heute eine ganz starke Stellung. Darum wäre es vermessen, wenn ich kommen und sagen würde: alles umstellen. Ich will gewisse Punkte stärker priorisieren, wobei ich selbstverständlich auch den Vorstand, die Mitglieder und die operativen Verantwortlichen einbeziehen werde.

Woran denken Sie da?
Einerseits gilt es – da wiederhole ich mich – den ökonomischen Wert der Mobilität ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Die Leute meinen, man könne den Verkehr einfach abwürgen und müsse nicht mehr in Strassen investieren. Nicht nur Mitte-Links, sondern ein Teil der Bevölkerung denkt so; doch wenn wir den Verkehr abwürgen, dann würgen wir auch den Motor der Gesamtwirtschaft ab, was sich direkt auf unseren Wohlstand auswirken würde. Unsere Branche leistet durch die Elektrifizierung der Fahrzeugflotten Enormes und ist ein Vorreiter bei der Bewältigung des Klimawandels. Aber dazu müssen auch die Rahmenbedingungen wie z.B. ein flächendeckendes Netz an Ladestationen stimmen. Wenn aber Bauvorhaben bei der Energieinfrastruktur durch Einsprachen verhindert und damit die Versorgungssicherheit gefährdet wird oder auch die Technologieoffenheit nicht gegeben ist, dann werden wir uns von Auto-Schweiz deutlich bemerkbar machen.

Wo auch noch?
Wenn wir bei der Energieversorgung weiterhin eine einseitige Auslandabhängigkeit haben oder auch theoretische Gebilde wie die Energiestrategie 2050 aufstellen, die schlicht nicht funktionieren und die Versorgungssicherheit nicht garantieren, dann werden wir für eine Branche einstehen, die bereits Milliarden für die Transformation in umweltfreundliche Technologien investiert hat. Dezidiert antreten werde ich auch gegen die Feindlichkeit – und es ist keine Opposition, sondern wirklich eine Feindlichkeit von gewissen Stadtregierungen gegen jedwede Form individueller Mobilität. Das ist eine Politik aus einer Wohlfühloase heraus und ohne Beachtung irgendwelcher ökonomischer Zusammenhänge Es ist dieser Status-quo-Fetischismus, der nicht nur die wirtschaftliche Tätigkeit einschränken will und das Gewerbe in der Stadt – ich wohne ja selbst in der Stadt – einbremst, sondern auch Konsummöglichkeiten und die logistische Anlieferung erschwert.

Das klingt, als ob Auto-Schweiz unter Ihnen den Druck auf die Politik erhöhen wird…
Die Elektrifizierung der Mobilität ist wichtig, aber mit politischen Utopien wie der Energiestrategie 2050 garantieren sie die Versorgungssicherheit nicht, das muss aufs politische Tapet kommen! Ich habe den Ausstieg aus der Kernenergie nach dem Reaktorunglück in Fukushima verstanden, aber wir werden echte Probleme bekommen, wenn wir den eingeschlagenen Weg von Technologieverboten fortsetzen und nach wie vor auf Auslandabhängigkeit setzen. Unsere Politik hat oft einen zu starken Kurzfristfokus mit symbolischen und regulatorischen Zielen, welche von der Wirtschaft umgesetzt werden müssen, obwohl sie ökonomisch keinen Sinn machen. Die Städte sind, selbst wenn sie links regiert sind, die Wirtschaftsmotoren unseres Lands, aber nicht wegen ihrer Stadtpolitik, sondern wegen den vor Ort tätigen Unternehmen. Wenn Städte die Wirtschaftstätigkeit via individuelle Mobilität einschränken wollen, dann müssen wir im Pendlerland Schweiz dagegen antreten! Es können schlicht nicht alle mit dem Zug oder Tram ins Büro, von der Logistik und Anlieferung ganz zu schweigen. Die individuelle Mobilität ist das Schmiermittel der Schweizer Wirtschaft. Wohlstand und Wertschöpfung schafft man nicht mit dem Lastenvelo.

Als Direktor des Think-Tanks Avenir Suisse zeigten Sie sich sehr EU-nah, ich denke da an die Aussage «Es darf keine Denkverbote geben, auch nicht hinsichtlich eines EU-Beitritts». Nun diktiert die EU Ihren Verbandsmitgliedern mehrheitlich, welche Autos sie an die Kundschaft bringen müssen – trübt dies das Verhältnis?
Ich sehe weiterhin den grossen Wert des europäischen Binnenmarkts, der auch ein Wohlstandsgenerator für die Schweiz ist. In diesem Zusammenhang sind meine damaligen Aussagen zur EU zu sehen. Wie viele andere auch beurteile ich aber die Regulierungseuphorie, die in Brüssel inzwischen herrscht, sehr kritisch. Genauso kritisch sehe ich die Regulierungsauswüchse hierzulande. Nur, in der Schweiz dürfen wir nicht noch einen eigenen «Swiss Finish» draufsetzen – der Schweizer Verwaltungsapparat ist inzwischen zu gross, was zu noch mehr Vervorschriftung des Wirtschaftslebens führt. Gegen diesen «Swiss Finish» werden wir vehement antreten, ausser er bringt eine Vereinfachung – nur habe ich das in 99 von 100 Fällen bislang nicht gesehen.

Auto-Schweiz hat wie der AGVS die «Roadmap Elektromobilität 2025» unterschrieben, ist man hier auf Kurs? Und was sagen Sie zur Absicht des Bundesrats, die Importsteuerbefreiung für E-Autos auslaufen zu lassen?
Wir sind bei der Elektrifizierung auf Kurs, trotz neuerdings erschwerter Rahmenbedingungen. Doch das ist die Widersprüchlichkeit unserer Politik heutzutage. Man fordert von der Autobranche umweltfreundlichere Mobilität, setzt dann aber negative Anreize mit der Erhebung von Steuern. Jede Steuer, die eingeführt wird, finde ich als Staatskritiker heikel, ganz besonders, wenn diese Steuer das ökologische Ziel der Verringerung des CO2-Ausstosses unterminiert. Ich bin daher dezidiert dagegen, dass diese Importsteuerbefreiung aufgehoben wird. Wir haben ja inzwischen eine Fiskalquote, die so hoch ist wie in Deutschland und Österreich.
 
Auto-Schweiz setzt sich für eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft bei Energiespeicher und mittels Branchenlösung für Batterierecycling ein – was sind hier die nächsten Schritte/Pläne?
Ich wurde kurz nach Amtsantritt über die Details des Projekts informiert und war begeistert. Da wird nicht einfach theoretisch im universitären Rahmen über Kreislaufwirtschaft gesprochen, das wird in der Praxis von der Autobranche umgesetzt. Die Lösung, die Auto-Schweiz hier mit dem Bundesamt für Umwelt Bafu gefunden hat, ist sehr komplex samt vorgezogener Recyclinggebühr und Bankgarantien unserer Mitglieder. Die dafür von uns extra gegründete Genossenschaft Sestorec sammelt die Daten der importierten Antriebsbatterien und liefert diese pro Quartal gesammelt ans Bafu, das wissen muss, wieviel Kilo Lithium-Ionen-Batterien in diesem Zeitraum importiert wurden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir als Verband dereinst mit einem auf Batterierecycling spezialisierten Unternehmen auf Verbandsebene zusammenarbeiten, um die Kreislaufwirtschaft auf eine weitere Stufe zu heben – doch das ist noch Zukunftsmusik.
 
Mit Andreas Burgener geht im Januar 2024 nach über 20 Jahren im Amt Ihr Direktor in Pension, wie weit sind Sie bei der Suche nach einem Nachfolger/einer Nachfolgerin?
Sie ist aktuell meine Toppriorität. Was hocherfreulich ist – und das spricht eben auch für die Reputation des Verbands –, wir haben hochqualifizierte Kandidaturen. Der Nachfolger oder die Nachfolgerin wird natürlich in grosse Fussstapfen treten, dessen muss man sich bewusst sein. Denn Andreas Burgener hat einen hervorragenden Namen und Ruf in der Branche, aber auch unter der Bundeshauskuppel.
 
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