«Wartung und Pflege von Fahrzeugen gewinnen an Bedeutung»

SAA-Geschäftsführer De Pedrini

«Wartung und Pflege von Fahrzeugen gewinnen an Bedeutung»

12. Februar 2025 agvs-upsa.ch – Der 1952 gegründete SAA – kurz für den Interessenverband Swiss Automotive Aftermarket – setzt sich für faire Marktbedingungen für die Akteure der Garagenzuliefererbranche ein. Davon profitieren nicht nur die rund 65 Mitglieder, sondern vor allem auch die Schweizer Garagen. Mit SAA-Geschäftsführer Diego De Pedrini wagen die AGVS-Medien einen Ausblick auf das Jahr 2025. Jürg A. Stettler


Diego De Pedrini ist Geschäftsführer des Interessenverbands Swiss Automotive Aftermarket SAA und Mitglied der Geschäftsleitung der AGVS-Sektion Zürich. Foto: AGVS-Medien.

Unterteilt in sechs Fachgruppen, von Garagen- und Werkstatteinrichtung über Ersatzteile, Zubehör und Tuning, Nutzfahrzeuge sowie Informatik bis Schmierstoffe und Chemie, versuchen die rund 65 SAA-Mitglieder, darunter sowohl Hersteller wie Importeure, faire Marktbedingungen auf dem Schweizer Aftermarket zu schaffen. Bei der aktuellen Konjunktursituation, der Transformation in der Automobilindustrie und dem immer schnelleren Wandel durch die fortschreitende Digitalisierung kein einfaches Unterfangen.

Herr De Pedrini, Sie engagieren sich mit dem SAA für die freie Mobilität – egal, ob diese mit Autos oder Nutzfahrzeugen erfolgt. Wie stark sind die guten Rahmenbedingungen hierzulande unter Druck?
Diego De Pedrini, Geschäftsführer Swiss Automotive Aftermarket: Wenn mit freier Mobilität der motorisierte Individualverkehr gemeint ist, kann ich zustimmen, dass der SAA sich hierfür einsetzt und zwar im Verbund von Strasseschweiz, also zusammen mit anderen Verbänden. Intakte Infrastruktur, aber auch das Vorhandensein von Parkplätzen sind unabdingbar, damit Verkehrsteilnehmende sich gerne mit dem Auto bewegen. Der Einsatz für einen funktionierenden motorisierten Individualverkehr ist ein wichtiges Anliegen der Fahrzeughersteller, Garagen und Lieferanten. Das Kerngeschäft des SAA ist jedoch nicht der Einsatz für die freie Mobilität, sondern für den freien Aftermarket, also für die Freiheit von Garagen und Konsumentinnen und Konsumenten, Produkte zu beziehen, die unabhängig von den Lieferketten der Fahrzeughersteller angeboten werden.

Ein unabhängiger und funktionierender Schweizer Aftermarket ist für Ihre Mitglieder wichtig. Stellen global agierende Händler und Plattformen wie Amazon & Co. keine Herausforderung dar?
Zunächst möchte ich betonen, dass ein unabhängiger und funktionierender Aftermarket nicht nur für unsere Mitglieder wichtig ist, sondern auch für Garagen sowie Konsumentinnen und Konsumenten, da die Wahlmöglichkeiten, wo sie Produkte und Dienstleistungen beziehen können, vergrössert werden. Natürlich stellen globale Player wie Amazon & Co. eine Herausforderung dar, der sich unsere Mitglieder aber gerne stellen, denn sie brauchen sich nicht zu verstecken. Unsere Mitglieder punkten mit Kundennähe, Lokalpräsenz, starker Logistik mit hoher Liefergeschwindigkeit, Fachkompetenz etc. Diese Qualitäten werden von den Garagen geschätzt, und sie arbeiten gerne mit unseren Mitgliedern zusammen. Die scheinbar übermächtige Konkurrenz hat diese Kompetenzen weniger.

Wie stark ist das Recht zum Reparieren heute eingeschränkt, und was können Sie dagegen tun?
Je schwieriger der Absatz von Neuwagen wird, desto stärker versuchen Fahrzeughersteller, anderweitige Geschäfte zu tätigen, wozu auch der Aftermarket gehört, welchen sie wohl am liebsten exklusiv für sich allein hätten. Dem zunehmenden Druck der Fahrzeughersteller versucht der SAA zu begegnen. Ein wichtiger Erfolg und damit eine gewisse Entlastung ist mit der Einführung der neuen Kfz-Verordnung gelungen, für welche der SAA zusammen mit anderen Verbänden wie dem AGVS gekämpft hat. Die Verordnung gewährt Garagen mehr noch als Zulieferern Marktfreiheiten, welche über jene in der EU hinausgehen. Abgesehen davon übernimmt die Schweiz viele Regelungen aus der EU. Dort ist der SAA Mitglied von Dachorganisationen, welche für den freien Aftermarket kämpfen.

Was tun Ihre Mitglieder und der SAA selbst, um den Schweizer Garagistinnen und Garagisten Zugänge zu relevanten Daten und Waren zu sichern?
Neben der politischen Überzeugungsarbeit zur Aufrechterhaltung und gegebenenfalls Anpassung der Kfz-Verordnung begleitet der SAA aktuell die Entwicklungen von SERMI, wo es um eine allenfalls bevorstehende Zertifizierung von Kfz-Betrieben für den Zugang zu sicherheitsrelevanten Fahrzeuginformationen geht. Hierfür ist der SAA in Kontakt mit den relevanten Bundesstellen. Ferner führt der SAA Rechtsverfahren durch, wenn Fahrzeughersteller den Zugang zum Markt ungerechtfertigt behindern. Die SAA-Mitglieder wiederum verschaffen Garagen Datenzugänge durch das Angebot von Mehrmarken-Diagnosegeräten und entsprechender Software. Nicht zu vergessen ist selbstverständlich, dass die SAA-Mitglieder den Einsatz ihres Verbandes für den freien Aftermarket durch ihre Mitgliederbeiträge und ihre Fachkompetenz unterstützen.


Diego De Pedrini (hinten) schaut sich mit Christian Ngo die ersten Rückmeldungen aus der Branche für den nächsten SAA-Konjunkturbarometer an. Foto: AGVS-Medien.

2019 wurden zum letzten Mal mehr als 300 000 Neuwagen verkauft in der Schweiz; wie sehr schlägt sich dieser Rückstand bezüglich Autoverkäufen inzwischen auf den Aftermarket nieder?

Einerseits stimmen sinkende Verkaufszahlen nachdenklich, denn nur wo Fahrzeuge verkauft werden, können auch Fahrzeuge gewartet und repariert werden. Andererseits nimmt der Fahrzeugbestand weiterhin zu. Die Autos werden länger gefahren, was dem Werkstattgeschäft hilft. Die Wartung und die Pflege von Fahrzeugen gewinnen an Be­deutung. Die Garagen leisten hierbei übrigens einen wichtigen Bei­trag an die Strassenverkehrssicherheit und Ressourcenschonung. Alles in allem ist das steigende Durchschnittsalter der Fahrzeuge für das Werkstattgeschäft vorteilhaft.

Der VW-Konzern wurde Ende 2024 heftig durchgeschüttelt, viele Zulieferer – darunter auch bekannte Unternehmen wie Bosch, Continental und ZF – strichen Tausende Jobs. Welche Auswirkungen hatte und hat dies für den Schweizer Aftermarket?
Eine Erkenntnis solcher Zulieferer angesichts der Absatzkrisen im Fahrzeugmarkt muss sein, den Aftermarket noch mehr zu schätzen und zu pflegen. Wenn die genannten Firmen dem Aftermarket entspre­chende Bedeutung beimessen, reduzieren sie ihre Abhängigkeit von den Herstellern und verringern somit ihr Klumpenrisiko. Die Krise der Fahrzeughersteller führt bei den Zulieferern somit zu einer stärkeren Gewichtung des Aftermarkes.

Befürchten Sie durch die aktuellen politischen Umwälzungen und Spannungen auch wieder Einschränkungen für die Lieferketten?
Wie andere Branchen auch litt der Aftermarket wegen der Corona- Einschränkungen an Lieferengpässen. Was die aktuellen politischen Umwälzungen mit sich bringen, ist jedoch schwer vorauszusagen. Un­strittig ist, dass wir uns derzeit nicht in ruhigen Gewässern befinden, was bedingt, dass die Firmen auf Veränderungen rasch reagieren kön­nen müssen.

 
Wie verändern die Transformation der Autobranche und die Digitalisierung den Markt ganz allgemein?
Unter Transformation und Digitalisierung verstehen wir vor allem Elektrifizierung und autonomes Fahren. Beide Entwicklungen haben sich nicht so rasch durchgesetzt, wie dies teilweise erwartet oder be­fürchtet wurde. Elektrofahrzeuge stehen derzeit nicht sehr hoch in der Gunst der Konsumentinnen und Konsumenten. Aber auch, wenn deren Verkaufsanteil steigt, braucht es Zeit, bis der Fahrzeugbestand sich erneuert. Diesbezüglich wird sich der Markt nicht unmittelbar verändern. Das vollautonome Fahren wiederum dürfte die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer erhöhen – ich meine Leute ohne Führer­schein – und so für einen grösseren Fahrzeugbestand sorgen.

Die Energiekosten steigen in den letzten Jahren stetig. Wie sehen Ihre Prognosen für die Materialkosten aus?
Im Jahr 2022 waren die Energiekosten deutlich höher als heute. Auch die Materialpreise sind nun einigermassen stabil, weshalb derzeit keine Kostensteigerungen zu erwarten sind. Allerdings befinden wir uns, wie erwähnt, in weltpolitisch bewegten Zeiten, sodass sich die Situation plötzlich ändern kann.

Wie stark leidet auch der Aftermarket unter dem Fachkräftemangel, und was unternehmen Sie dagegen?
Ausgeprägt ist der Fachkräftemangel in Branchen mit hohem Anteil an handwerklicher Arbeit. Die Garagen sind somit stark betroffen. Et­was geringer sind die Herausforderungen bei kaufmännischen Berufen. Im Aftermarket sind viele Berufe vertreten. Zu erwähnen sind neben Mechaniker:innen beispielsweise Verkäufer:innen, Disponent:innen, Techniker:innen, Chauffeure und Chauffeusen, Logistiker:innen und Informatiker:innen. Unsere Mitglieder versuchen, attraktive Arbeits­bedingungen zu bieten und so das geeignete Personal zu finden. Ich nenne bewusst unsere Mitglieder, denn der SAA ist kein Berufsver­band, und seine Möglichkeiten, in diesem Bereich Einfluss zu nehmen, sind beschränkt. Immerhin haben wir uns an einer unserer letzten Mit­gliederversammlungen des Themas mit einem Referat angenommen, bei welchem es neben der gezielten Rekrutierung von Arbeitskräften darum ging, mit welchen Massnahmen die Zufriedenheit der Mitarbei­tenden gesteigert und damit unerwünschter Fluktuation entgegenge­wirkt werden kann.
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